Sie sind Führungskraft eines zerstrittenen Teams
Ihre ToDo-Listen quellen über? In Ihrer Ablage häufen sich die unerledigten Dinge zu Türmen? Und dann packen Ihnen Ihre Mitarbeiter eine lächerliche Streiterei noch mal eben so oben drauf? Die scheint nun wirklich weder wichtig noch dringlich und kommt erstmal unter den Teppich, wo sie über Monate zu einem großen Huckel angewachsen ist, um den jetzt kein Drumherumkommen mehr ist. So geht es Ihnen? Trösten Sie sich. So geht es den meisten.
Es hilft jetzt alles nichts, jetzt muss der Teppich angehoben und das Knäuel aus verstrickten Kollegenbeziehungen entwirrt werden.
Ein erster Schritt: Fäden sortieren – Klarheit gewinnen
Was ist passiert?
• Wer streitet mit wem?
• Worum geht es?
• Wie fing es an?
• Wie ging es weiter? (böse Worte, heimtückische Taten, Parteibildungen..)
• Wer ist noch betroffen?
Was steckt dahinter?
• Was wissen Sie über die Hintergründe?
• Was bewegt die Beteiligten? (Ängste? Sorgen? Ziele?)
• Verstehen Sie einige besser als andere?
Welche Auswirkungen hat der Konflikt?
• auf die Stimmung?
• auf das Vertrauen im Team?
• wie viel an Arbeitsleistung geht verloren? (qualitativ? quantitativ?)
• Wo verhindert der Konflikt die erforderliche Kommunikation?
• Wie viel Arbeitszeit fließt in die Konfliktaustragung? Gespräche über den Konflikt, Umwege durch Vermeidung direkter Kommunikation zwischen den Konfliktpartnern?
• Sonstiges?
In wenigen Lebenssituationen wird so viel gewünscht, wie in Konflikten. Ach hätte doch … ach könnte doch… Man wünscht den anderen ins Pefferland oder ihm einen riesengroßen Furunkel an den Hintern, sich selbst auf einen anderen Stern oder befördert nach New York, einmal über den großen Teich, dummerweise finden sich auch dort meistens gute Sparringspartner für einen deftigen Konflikt … – Führungskräfte wünschen sich gerne, dass mal Ruhe wäre, Frau X. sich einfach mal nicht so hat und Frau Y. sich einfach mal zusammenreißt, oder dass jetzt einfach alle ihre Zähne aufeinanderbeißen usw. usf.
Denn die Situation scheint ausweglos: da kann man nur noch auf die gute Fee hoffen. Die natürlich nie erscheinen will, oder auf Alexander den Großen. Bitte, er möge doch mit seinem scharfen Schwert diesen gordischen Knoten beherzt durchschlagen. Aber Alexander ist leider längst tot.
Wäre das nicht schön, wir könnten uns alle einfach wieder vertragen, sagen vielleicht die Harmoniefans in Ihrem Team. – Das ist so ungefähr der romantischste Wunsch, den man im Konflikt haben kann. Und im Herzen sind die meisten von uns kleine Romantiker. Sympathischerweise. Wir hegen und pflegen diesen Wunsch und damit einen wichtigen Grund für das Scheitern von Konfliktbearbeitungen. Wer so an einen Konflikt geht, kann nur enttäuscht werden. Denn ‚einfach‘ ist in der Regel gar nichts und ‚vertragen‘ – naja ….
Es gibt ja Gründe für den Konflikt. Die müssen verstanden und ausgetragen werden, dann kann man sich – vielleicht – auf einer neuen Ebene, einer realistischen Ebene vertragen. Das verlangt viel soziale Kompetenz von allen Beteiligten. Realistische Ziele im Konflikt sind bescheiden –
Realistische Ziele im Konflikt sind…
… den Konflikt zu verstehen.
Wenn Sie als Führungskraft verstehen, wem es wieso um was geht, wer was wie erlebt hat, aus welchen Hintergründen sich was entwickelt hat, was da die Struktur dazu beiträgt, oder wer darauf mit welchen persönlichen Eigenschaften konstruktiv oder destruktiv einwirkt, dann haben Sie die optimale Entscheidungsgrundlage für nächste Schritte.
Dieses Verständnis ist sozusagen die Pflicht in der Konfliktbearbeitung. Die Kür ist:
Ihre Teammitglieder verstehen sich gegenseitig.
Wenn die Konfliktbetroffenen sich gegenseitig verstehen, gegenseitig erfassen, wer was wie erlebt und wie man durch das eigene Verhalten dazu beigetragen hat, dann wird nicht nur für alle deutlich, was den Konflikt ausgelöst und befeuert hat, dann ist es auch möglich, wieder Mitgefühl füreinander zu entwickeln, eigene Taten aufrichtig zu bedauern und sich gegenseitig zu verzeihen. Eine gute Grundlage, um wieder Vertrauen zueinander zu fassen und neu miteinander anzufangen.
Und – so unrealistisch es klingt, ein realistisches Ziel im Konflikt ist auch …
… den Konflikt beseitigen zu wollen.
Ich halte es für elementar, dass eine Führungskraft den Konflikt beseitigen will. Und für unbedingt notwendig. Ein Konflikt behindert die Arbeit und macht die Betroffenen krank. Spätestens irgendwann. Er muss weg.
Allerdings muss das – anders als im Märchen – nicht heißen, dass sich ‚alle wieder vertragen‘ und bis ans Lebensende miteinander glücklich sind. Wenn das so ist, dann ist das großartig. Und es kann sinnvoll sein, alles dafür zu tun.
Manchmal kann es aber auch richtig sein, Personalentscheidungen zu treffen. Auch wenn das schwer fällt. Eine sorgfältige Konfliktklärung im Vorfeld kann deutlich machen, welche. Und vielleicht zeigen sich dort auch noch andere Wege auf: Man kann zum Beispiel Zusammenarbeit zu entflechten, wo Menschen sich einfach nicht verstehen, Regeln aufzustellen, deren Einhaltung verantwortungsvoll flankiert wird.
Nicht immer, kann Vergangenes vergessen werden, nicht alle Menschen können wirkungsvoll zusammenarbeiten. Dem ins Auge zu schauen, ist realistisch und verhindert deprimierte Resignation.
Übrigens: Eine Führungskraft, die entschieden ist, destruktive Streitigkeiten zu beenden, ist mitunter machtvoll wie die märchenhafte Fee. Ihre Mitarbeiter spüren, wenn Sie die Verantwortung übernehmen. Wer gerade noch laut schimpfen und schreien musste, aus Sorge, sonst kein Gehör zu finden, wird sich erleichtert ein ganzes Stück zurücklehnen, wenn er weiß, sie nehmen das in die Hand. Immer wieder kann es verwundern, wie lösungsorientiert, sachlich und besonnen Mitarbeiter agieren können, wenn sie sich darauf verlassen, dass jemand dafür sorgt, dass ihre Sicht in Lösungen einbezogen wird.
Teamgespräche immer …
… Konflikte oder Probleme, die das gesamte Team betreffen, müssen auch im gesamten Team besprochen werden. Denn alle sind in der Regel mindestens betroffen und können ihren Teil beitragen zur Klärung. Ein Team bietet eine Fülle von nützlichen Blickwinkeln. Im Konfliktfall ist es hilfreich, jeden einzelnen in seiner Sichtweise gründlich zu verstehen. Strittige Punkte sollten in Ruhe von allen Seiten beleuchtet und ergründet werden.
Führungskräfte sind darauf trainiert, Situationen schnell zu erfassen und mit passenden Lösungen zu parieren. Im Konflikt ist das häufig nicht zweckdienlich, da die eigentlichen Konfliktinhalte tief unter denen verborgen liegen können, die im Eifer des Gefechts dem Gegner ins Gesicht geschleudert werden. Und gerade das Ausdrücken und Aussprechen des Erlebten sowie der begleitenden Gefühle ist für die Beruhigung der Situation ganz wesentlich. Ein guter Maßstab für das Verstehen ist, ob Sie selbst ganz und gar nachvollziehen können, warum da jeder wie reagiert und worum es eigentlich geht.
Dann steht die Lösungsphase an. Es kann richtig und gut sein, das Team in die Lösungsverantwortung zu bringen. Häufig haben Mitarbeiter gute Ideen. Sie als Führungskraft allerdings kontrollieren die Passung und die Umsetzung einer Lösung. Es hat eine große disziplinierende Kraft, wenn die Mitarbeiter spüren, dass die Führungskraft entschieden ist, eine konstruktive Zusammenarbeit herzustellen.
Warum sind Teamgespräche so unbeliebt, wenn sie so nützlich sind? Sie können furchtbar sein, für alle Beteiligten. Im Allgemeinen aus zwei Gründen: entweder verliert sich der Gesprächsfaden, man redet über dieses, jenes, alles, aber über nichts zu Ende – oder/und das Gespräch verwandelt sich blitzartig in einen gewitterartigen Schlagabtausch. Hinterher scheint alles schlimmer als vorher.
Jedes Teamgespräch braucht eine klare Führung. Um so klarer, je weniger die Beteiligten in der Lage sind, sich selbst zu führen. (Übrigens: Im Konflikt verlieren auch die besonnensten Menschen diese Fähigkeit und brauchen Ihre Unterstützung.) Sorgen Sie dafür, dass die Beteiligten so lange bei einem Thema bleiben, bis es gründlich zu Ende und einer Lösung zugeführt ist, sonst wird es immer wieder aufpoppen. Und lassen Sie Eskalationen nicht zu. Wird es heiß, bedeutet das, dass für die Beteiligten wichtige und heikle Punkte berührt sind. Jetzt das Gespräch verlangsamen und vertiefen: um was geht es den Beteiligten. Was steckt hinter den Emotionen. Das Ganze ist sozial verträglicher und besser verstehbar, wenn es nicht in Schimpfworten, Polemik oder Sarkasmus Ausdruck findet. Das dürfen und sollten Sie einfordern. Sofort.
Einzelgespräche manchmal …
… Einzelgespräche bergen immer die Gefahr, dass andere sich ausgeschlossen fühlen, dass Sie sich von einer Sichtweise stark beeinflussen lassen, dass Sie sich von einer Seite vereinnahmen lassen.
Daran ist niemand Schuld außer den in solchen Situationen wirksamen Mechanismen. Bin ich vom Konflikt betroffen, fühle ich mich subjektiv in höchster Not, ich taste verzweifelt nach einem Rettungsanker. Umgekehrt löst Leid ganz natürlich unsere Beschützerinstinkte aus. Deshalb ist es in der Regel immer ratsam, Konflikte so schnell wie möglich mit allen Beteiligten zu besprechen.
Hilfreich sind Einzelgespräche allerdings, um Teamgespräche vorzubereiten. Wenn zum Beispiel für einzelne heikle Themen angesprochen werden müssen. Wie z.b.: wie gehen wir damit um, dass ein Teammitglied sein Leistungssoll nicht schafft, ist es gut, diese Situation zuvor im Einzelgespräch vorzubesprechen. Um Teile des Problems schon zu lösen. Sowie den Mitarbeiter auf die Situation im Teamgespräch verantwortlich vorzubereiten.
Mediation wenn …
.. alle internen Gespräche und Lösungen nicht gefruchtet haben, die weitere Zusammenarbeit der Konfliktpartner aber erwünscht ist, lohnt es sich, einen Mediator hinzuzuziehen. Klären Sie in einem kostenfreien Erstgespräch, ob eine Konfliktmoderation der richtige Weg für Ihr Team ist.
Einige zusätzliche Bemerkungen:
Mitarbeitern, die einen Streit nicht beilegen können, fehlt häufig eine Instanz, die sich einmischt, für Orientierung sorgt, entscheidet und darauf dringt, dass die Zusammenarbeit wieder im Sinne der Sache verläuft. Dass es in Unternehmen in erster Linie darum geht, eine Sachleistung zu erbringen, ist ein Gedanke, der im Streit meistens als allererstes verloren geht.
Wer sich schon mal in einen Konflikt verwickelt hat – und wer hat das nicht – der weiß, wie leidvoll das sein kann und wie sehr die Intensität der Emotionen sukzessive den Alltag bestimmt. Da ist irgendwann nur noch Wut im Bauch und Nebel im Kopf. Wenn nichts passiert, die Beteiligten sich selbst nicht helfen können, werden sie daran krank. Da braucht es die mutige Führungskraft, die eingreift, und im Nebel für Orientierung sorgt.
Menschen im Streit empfinden ihre Not subjektiv als übermäßig und fühlen einen großen Handlungsdruck, mit dem sie ihr Umfeld leicht anstecken. Sie stehen plötzlich wutentbrannt oder tränenüberströmt in Ihrem Büro und verlangen eine sofortige Reaktion …
Das Tempo eskaliert den Konflikt weiter – im Konflikt braucht es Ruhe, Bedächtigkeit, Zeit und Tiefe. Was sich meist über Wochen und Monate verknotet hat, lösen Sie nicht mit einem beherzten Schlag auf den Tisch. Wenn Sie den Dingen wirklich auf den Grund gehen wollen, dann nehmen Sie sich Zeit, viel Zeit. Gewinnen Sie in Ruhe Klarheit über die Situation. Was wissen Sie? Welche Informationen fehlen? Überlegen Sie im nächsten Schritt, was Sie erreichen wollen und welche Lösungen sich dementsprechend anbieten.
Jeder Konflikt besteht aus zwei Teilen: einem strittigen Konfliktinhalt und seiner destruktiven Austragung: der Eskalation. Manchmal ist ersteres ganz klein, letzteres aber sorgt für Verwüstungen, über die kein Gras mehr wächst. Der strittige Konfliktinhalt umfasst alle Vorwürfe. Jeder Vorwurf enthält unangenehme Wahrheiten. Häufig für beide Seiten.
Wer einen Konflikt klären will, muss sich entscheiden, sich diesen Wahrheiten stellen zu wollen. Ein Mediator kann zum Beispiel zerstörerische Worte entschärfen, in denen sich die Wut eines Klienten vielleicht zeigt, dem Inhalt der Wut jedoch, wird er verantwortlich zum Ausdruck verhelfen. Und angenehm ist das meistens nicht. Doch letztlich muss der Wahrheit ins Auge schauen, wer die zukünftige Zusammenarbeit auf ein solides Fundament stellen will. ‚Die Illusionen von heute, sind die Tragödien von morgen‘ sagt dazu die berühmte amerikanische Psychologin Ruth Cohn.